Der Begriff „Explosionsschutzdokument“ taucht aktuell in vielen Betrieben erstmals auf der Agenda auf – nicht weil es neu wäre, sondern weil Betreiberpflichten in der Praxis oft lange ignoriert oder falsch verstanden wurden.
Die zunehmende Technisierung von Produktions- und Logistikprozessen, steigende Anforderungen von Versicherern, Auditoren und Kunden sowie die verstärkte Einbindung internationaler Lieferketten führen dazu, dass Unternehmen Nachholbedarf erkennen und verlässliche Arbeitsgrundlagen suchen.
Rechtlicher Rahmen
Das Explosionsschutzdokument ist in Deutschland und der EU eine Pflicht des Betreibers und ergibt sich im Wesentlichen aus:
Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) → Grundlage der Gefährdungsbeurteilung und Dokumentation
Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) → Anforderungen an Betrieb, Prüfungen und Instandhaltung
ATEX-Richtlinie 1999/92/EG → Mindestvorschriften zur Verbesserung des Explosionsschutzes für Beschäftigte
Entscheidend ist dabei: Das Dokument wird nicht zentral bereitgestellt oder abgenommen, sondern eigenverantwortlich durch den Betreiber erstellt und fortlaufend aktualisiert.
Zwingende Inhalte eines vollständigen Dokuments
Ein Explosionsschutzdokument ist nur dann belastbar, wenn es die tatsächlichen Betriebsbedingungen abbildet. Dazu gehören mindestens:
Analyse der möglichen explosionsfähigen Atmosphäre
Art des Gefahrstoffs (Gas, Dampf, Nebel, Staub, Hybridgemisch)
Häufigkeit und Dauer des Auftretens
Zoneneinteilung
Für Gase/Dämpfe: Zone 0 / 1 / 2
Für Stäube: Zone 20 / 21 / 22
Zonenplan
Darstellung im Anlagen- oder Grundrissplan
Ohne Plan ist weder Prüfung noch Audit möglich
Der Plan ist kein „Zusatz“, sondern Kern des Dokuments
Systematische Zündquellenbewertung
Heiße Oberflächen, elektrische Funken, mechanische Reib- und Schlagfunken, Elektrostatik, Blitzeinwirkung etc.
Es wird nicht nach dem Ausschluss von Zündquellen gesucht, sondern nach dem kontrollierten Umgang mit verbleibenden Risiken
Schutzmaßnahmen
Technisch: geeignete Ex-Geräte, Kapselung, Erdung, Temperatur- und Prozessüberwachung, Lüftung, druckfeste oder funkenarme Konstruktion
Organisatorisch: Betriebsanweisungen, Freigabesysteme, Verantwortlichkeiten, Unterweisungen
Prüf- und Instandhaltungskonzept
Abgeleitet aus EN IEC 60079-17
Konkrete Prüfintervalle, Prüfumfänge und benannte verantwortliche Personen
Fehlendes Prüfkonzept erzeugt ein zusätzliches Risiko für Betriebsausfälle und Versicherungsfragen
Praxisprobleme, die den aktuellen Bedarf erklären
Viele Unternehmen stellen sich dieselben Fragen:
Wie strukturiere ich die Gefährdungsbeurteilung korrekt?
Wie erstelle ich einen normkonformen Zonenplan?
Welche Risiken muss ich dokumentieren, auch wenn die Maschine nicht elektrisch betrieben wird?
Wie hinterlege ich ein Prüfkonzept ohne interne Zuständigkeitskonflikte?
Welche Übersetzungen sind sinnvoll, wenn das Dokument im Ausland genutzt werden soll?
Die Fragen zeigen: Es geht nicht um mehr Schlagworte, sondern um Handwerk, Struktur und Nachvollziehbarkeit.
Geeignete Unterlagen und praktische Arbeitsgrundlagen
Folgende Quellen bieten stabile und allgemein anwendbare Leitfäden und Musteraufbauten:
DGUV Information 213-106 – Beispielhafter Aufbau, Checklisten für die Praxis
TRBS 1112 (Teil 1 & 2) – Methodische Grundlage zur Gefährdungsbeurteilung Explosionsschutz
ZVEI-Leitfaden Explosionsschutz nach 1999/92/EG – Systematische Betrachtung von Zündquellen und Maßnahmen
Nicht frei verfügbar, aber inhaltlich notwendig für die Erstellung:
EN IEC 60079-10-1 / 10-2 – Zoneneinteilung Gas/Staub
EN IEC 60079-14 – Errichtung elektrischer Anlagen
EN IEC 60079-17 – Prüfung und Instandhaltung
(Ein Dokument ist nur so gut wie die technischen und normativen Grundlagen dahinter.)
Zusammenfassung
Ein Explosionsschutzdokument ist kein Standardformular, sondern ein betriebsspezifisches Sicherheitsdokument, das:
Risiken realistisch bewertet,
Zonen eindeutig definiert und visuell darstellt,
Schutzmaßnahmen nachvollziehbar beschreibt und
ein konkretes Prüf- und Instandhaltungskonzept mit Verantwortlichkeiten enthält.
Die steigende Nachfrage entsteht nicht, weil das Thema komplizierter geworden ist, sondern weil Betriebe zunehmend verstehen, dass unvollständige Dokumentation zu echten Risiken führt – technisch, rechtlich und organisatorisch.